Sopranistin Kateryna Kasper

Sopranistin Kateryna Kasper

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10. Januar 2025

Sopranistin Kateryna Kasper

»Die Zukunft der Barockmusik hängt von den Künstlern ab: Von ihrer Fantasie, Kreativität, ihrem Interesse immer weiter zu forschen und ihrer wissbegierigen Suche nach den Ursprüngen dieser Musik; und vor allem auch davon, dass sie sich immer wieder trauen, (neue) Hörgewohnheiten und Konventionen auf den Kopf zu stellen.«

Mit ihren virtuosen und schwindelerregend schnellen Koloraturen verdreht die aus der Ukraine stammende Sopranistin und Barock-Spezialistin Kateryna Kasper ihrem Publikum den Kopf. In unserem Interview spricht sie über experimentierfreudiges Musizieren und die Herausforderungen der freischaffenden Szene.

 Liebe Kateryna, Du trittst regelmäßig mit dem Dirigenten René Jacobs auf. Wie hat diese Zusammenarbeit Deine Interpretation von Barockmusik beeinflusst?

Die Zusammenarbeit mit René Jacobs ist für mich etwas ganz Besonderes. Als ich vor 15 Jahren nach Deutschland und in Berührung mit Musik aus der Barockzeit kam, führte kein Weg an den mutigen und kreativen CD-Aufnahmen von René Jacobs vorbei. Diese Aufnahmen haben mich für meine eigenen Darstellungen inspiriert. 2021 fand ich mich neben dieser Koryphäe selbst musizierend, ausprobierend, gestaltend. Unsere erste Zusammenarbeit war bei Aufnahmen der romantischen Oper »Freischütz« von Weber, wo ich die Rolle des »Ännchen« gesungen habe. Wir haben uns musikalisch sehr gut verstanden. René forscht mit kindlicher Neugier und Unbefangenheit an den Stücken und steckt mit seinen musikalischen »Visionen« und seiner Begeisterung viele um sich herum an. Es ist spannend mit ihm zu proben und Partituren mit seinen Notizen zu lesen, man lernt sehr viel daraus. Es ist befreiend, ohne Angst davor, aus dem Rahmen zu fallen, frisch und frei musizieren zu können. Diese Experimentierfreude zusammen mit fundiertem historischem Wissen macht das Musizieren allgemein (nicht nur von Barockmusik) einzigartig, beglückend, wertvoll und zeitgemäß.

  • Foto: Andreas Kasper

Welche Herausforderungen und Freuden bringt es mit sich, sowohl im Ensemble an der Oper Frankfurt als auch international aufzutreten?

Die größte Freude liegt in der Abwechslung. Die Oper Frankfurt ist meine Theater-Heimat. Hier habe ich sehr viele Erfahrungen gesammelt und viel gelernt, insbesondere als Darstellerin, als singende Schauspielerin und schauspielernde Sängerin. Hier konnte ich mit fantastischen Kolleginnen und Kollegen auf und hinter der Bühne an allen möglichen Produktionen arbeiten. Es ist auch sehr wertvoll, wenn man sein Publikum kennt; Menschen, die immer wieder ins Theater kommen, um die Sänger*innen in verschiedenen Rollen zu erleben.

International aufzutreten eröffnet wiederum die Möglichkeit, mit neuen Künstler*innen, Orchestern und Regisseur*innen zusammenzuarbeiten, was meine künstlerische Perspektive ständig erweitert. Die Herausforderung besteht darin, beiden Anforderungen gerecht zu werden. Dennoch empfand ich es all die Jahre als bereichernd, diese beiden Welten miteinander zu verbinden und sowohl Kontinuität als auch Abenteuer zu erleben. Letztendlich habe ich entschieden, meinen Weg als freischaffende Künstlerin weiterzugehen, freue mich aber auch auf ein Zurückkehren an die Oper Frankfurt - als Gast.

Wie balancierst Du Deine Karriere als erfolgreiche Sängerin mit Deinem Familienleben und der Erziehung Deiner zwei Söhne?

Es ist nicht einfach und ohne Hilfe kaum zu schaffen. Ich werde sehr von meiner Familie unterstützt, vor allem von meinem Mann und meiner Mutter. Als die Kinder noch sehr klein waren, sind wir immer zusammen gereist. Wir haben in diesen Jahren viele unvergessliche Erlebnisse gehabt. Jetzt, wo der Große in die zweite Klasse geht und der Kleine in den Kindergarten, müssen wir uns immer wieder trennen. Umso freudiger ist das Wiedersehen. Für mich war und ist es im Moment sehr wichtig, beides erleben zu können und so versuche ich, so gut es geht, zwischen diesen beiden Welten zu balancieren. Meine Familie ist dabei meine liebevolle Basis. Und ich hoffe, dass ich meinen Kindern vorleben kann, wie wichtig es ist, seinen Träumen zu folgen und eine Tätigkeit zu finden, die einen erfüllt. Sie erleben alles mit, kommentieren manchmal sehr weise und stärken mich mit viel Liebe.

  • Foto: Andreas Kasper

Gibt es eine Opernrolle, die Dir besonders am Herzen liegt und warum?

Ich würde nicht unbedingt eine Rolle hervorheben. Am meisten Spaß machen mir die starken, ungewöhnlichen, auch komplizierten Bühnenfiguren. Solche Charaktere zu verkörpern und ihnen eine Stimme zu geben, ist das Interessanteste. Ich habe zum Beispiel sehr gerne die Königin Orasia in Telemanns »Orpheus« gesungen (eine vielseitige und fulminante Figur, mit acht stilistisch unterschiedlichen Arien, in drei Sprachen - deutsch, italienisch, französisch). Auch die vielen Frauen in Mozarts Opern sind sehr spannend zu interpretieren (Susanna, Gräfin, Fiordilidgi, Elettra, Ilia). Bald werde ich Donna Anna in »Don Giovanni« singen, nachdem ich schon oft Zerlina gespielt habe. Und ganz besonders freue ich mich auf die geheimnisvolle Mélisande in Debussys »Pelléas und Mélisande«, an der ich demnächst in England arbeiten werde.

  • Foto: Barbara Aumüller

Wie siehst Du die Zukunft der Barockmusik in der modernen Opernwelt?

Die Barockmusik hat in den letzten Jahren zunehmend an Popularität gewonnen, nicht zuletzt dank engagierter und mutiger Musiker*innen und Regisseur*innen. Das Publikum scheint insbesondere auf Händel geradezu »abzufahren«. Die Zukunft der Barockmusik hängt von den Künstlern ab: Von ihrer Fantasie, Kreativität, ihrem Interesse immer weiter zu forschen und ihrer wissbegierigen Suche nach den Ursprüngen dieser Musik; und vor allem auch davon, dass sie sich immer wieder trauen, (neue) Hörgewohnheiten und Konventionen auf den Kopf zu stellen.

Ebenso wichtig aber ist die Unterstützung für diejenigen, die diese Kunstszene primär gestalten, was überwiegend in der freien Szene geschieht. Während »konventionelle« Orchester in der Regel verhältnismäßig gut ausgestattet sind und ihren Musikern eine relativ gute Stabilität bieten können, hangelt man sich in der freien (Barock-)Szene oft von Projekt zu Projekt und muss um jedes akquirierte Konzert bangen - was natürlich die Solisten, die von diesen Ensembles engagiert werden, genauso betrifft. Hier ist es absolut entscheidend, dass diese Szene weiterhin stabile Fördermittel erhält. Denn nur mit den notwendigen Mitteln und der Freiheit, ihre Arbeit gut machen zu können, bleibt Barockmusik lebendig und relevant. Opernhäuser spielen nach meiner Einschätzung eine wichtige Rolle für diese freie Szene, denn oft werden für Barockopern Teile des Orchesters (oder sogar ganze Ensembles), Leiter und auf Barockgesang spezialisierte Solist*innen vorübergehend für Produktionen angestellt und erhalten so eine gewisse Stabilität. Ich hoffe, dass sich diese Routine in den nächsten Jahren fortsetzt.

 Herzlichen Dank für das Gespräch!

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