»Palestrina« von Hans Pfitzner und »Le Grand Macabre« von György Ligeti

»Palestrina« von Hans Pfitzner und »Le Grand Macabre« von György Ligeti

  • Foto: Matthias Creutziger
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06. November 2024

»Palestrina« von Hans Pfitzner und »Le Grand Macabre« von György Ligeti

Die Liste der großen Namen ist lang bei Pfitzners »Palestrina« an der Wiener Staatsoper im Dezember 2024: Christian Thielemann dirigiert ein hochkarätig besetztes Ensemble mit Günther Groissböck, Michael Nagy, Wolfgang Koch, Michael Spyres und anderen. Hans Pfitzner ist aufgrund seiner antisemitischen Haltung bis heute umstritten; 1917 dirigierte aber ausgerechnet der jüdische Dirigent Bruno Walter im Münchner Prinzregententheater die Uraufführung von »Palestrina«.

 

  • Wien, Staatsoper: Wien Tourismus/Peter Rigaud

Musikalische Legende zur Rettung der kontrapunktischen Musik

1918 schrieb Thomas Mann über das Stück: »Ich hörte Hans Pfitzners musikalische Legende Palestrina dreimal bisher, und merkwürdig rasch und leicht ist mir das spröde und kühne Projekt zum vertrauten Besitz geworden. Dies Werk, etwas Letztes und mit Bewusstsein Letztes aus der schopenhauerisch-wagnerischen, der romantischen Sphäre, mit seinen dürerisch-faustischen Wesenszügen, seiner Mischung aus Musik, Pessimismus und Humor, - es gehört durchaus 'zur Sache' - zur Sache dieses Buches.« Mit »diesem Buch« sind Thomas Mann‘s »Betrachtungen eines Unpolitischen« gemeint.

Das polarisierende Hauptwerk Pfitzners lässt Einflüsse von Schopenhauer, Wagner und Faust erkennen. Der Komponist Giovanni Pierluigi da Palestrina, eine historische Figur des 16. Jahrhunderts, ist Mittelpunkt von Pfitzners Oper und wohl in vielerlei Hinsicht eine Reflektion von Pfitzner selbst. Die »Musikalische Legende«, wie Pfitzner selbst sie betitelt, die im spätromantischen Stil geschrieben wurde, erzählt, wie Palestrina trotz der anti-musikalischen Dekrete der Kirche seine »Missa Papae Marcelli« komponiert und zum »Retter der kontrapunktischen Musik« wird. Besetzt mit großem Orchester, Chor und über Dreißig Solisten stellt das Werk eine hohe Anforderung an die Aufführenden dar. Simone Young, die das Werk 2009 an der Bayerischen Staatsoper dirigierte, hält Palestrina für »ein etwas zur Seite gelegtes Meisterwerk des deutschen Repertoires. Und ich finde es überhaupt nicht erstaunlich, dass Dirigenten, die sich sehr für die Musik Wagners eingesetzt haben, sich auch für die Musik Pfitzners einsetzen. Weil da starke musikalische Verbindungen sind«.

  • György Ligeti: Wikimedia commons, Nationaal Archief, Marcel Antonisse / Anefo

Apokalypse zwischen Tradition und Provokation

»Es ist die Angst vor dem Tod, die Apotheose der Angst und das Überwinden der Angst durch Komik, durch Humor, durch Groteske.« (György Ligeti)

Als einzige Oper des österreichisch-ungarischen Komponisten György Ligeti (1923-2006) präsentiert sich »Le Grand Macabre« als musikalische Apokalypse: Als vom Tod höchstpersönlich der in vierundzwanzig Stunden eintretende Weltuntergang prophezeit wird, verfällt die Menschheit in anarchische Endzeitstimmung; Liebe, Sünde, Ordnung und Chaos liegen dabei eng beieinander. Der Komponist nannte sein Werk humorvoll »Anti-Anti-Oper«; avantgardistisch, sich zwischen Tradition und Provokation bewegend, empfindet Ligeti seine Musik als »gefährlich, übertrieben, ganz verrückt und dreckig«. Anspruchsvolle Koloraturarien und Sprechtexte wechseln sich ab, rhythmisch komplizierte Ensembles fordern die Darsteller und das Orchester gleichermaßen.  Zusätzliche Tasteninstrumente und viel Schlagwerk, unter anderem die berühmten zwölf Autohupen, sorgen für einen komplexen Klang.

An der Bayerischen Staatsoper feierte »Le Grand Macabre« am 28. Juni 2024 Premiere und war auch im Oktober 2024 zu sehen.

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